Die Fahrscheine bitte?!
– Nein, Danke.

In einer besseren Zukunft sollte es keine Angstperlen auf den Stirnen von Jugendlichen in den Berliner U-Bahnen geben, wenn dann doch widererwartend der Kontrolleur einsteigt. Max Benz-Kuch findet: Der ÖPNV in einer besseren Zukunft muss gratis werden. 

4. Mai 2023

Den Wecker überhört. Es ist … eigentlich schon zu spät! Und da ist sie wieder: die Gewissensfrage. Die Wahl zwischen dem scheinbar unkomplizierten Umweltsünder Auto und dem öffentlichen Verkehrsmittel. Ein Zwiespalt, vor dem immerhin jeder zweite Berliner Haushalt regelmäßig stehen könnte, denn exakt so viele leisten sich das städtische Luxusgut Auto. Doch benötigt der gemeine Berliner noch ein Auto?

Züge mit Charme

Diese Frage wird Hauptstädtern hier zu Lande immer wieder gestellt. Trotzdem ist es mehr eine Hass-Liebe als reine Zufriedenheit. Die meisten Berlinerinnen und Berliner beeindruckt eher das Durchhaltevermögen der nostalgischen Züge als deren Sauberkeit oder flächendeckend attraktive Ticketangebote. Neben dem ökologischen Aspekt beschäftigt die Stadt: Integration. Nicht nur die, der geflüchteten Menschen aus aller Welt, sondern auch die in der eigenen Stadt. Bis heute lässt sich nämlich eine klare Ost-West-Stadtgrenze ziehen. Genau dort, wo mehr Straßenbahn, als unterirdische Bahn gefahren wird, sind die Löhne nicht nur niedriger, sondern die Bahnen eben auch oberirdisch. Dieses Sinnbild der Improvisierung zeigt: in Berlin fährt auf Schienen, was eben noch fährt.

Runter von den Straßen

Dabei scheint doch eine Zukunft auf Schienen bereits beschlossene Sache. Längst gilt das Einsparen von CO2-Emissionen in Deutschland und Europa als breiter Konsens. Trotzdem hinken viele europäische Städte dem Idealbild einer modernen Stadt hinterher. Doch was genau ist dieses ideale Model für öffentliche Fortbewegungsmittel in einer Stadt wie Berlin? Die Bürger der Bundeshauptstadt sind bereits Vielnutzer. Mit 324 Pkw pro 1.000 Einwohner weist Berlin die niedrigste Motorisierungsrate in Deutschland auf. Trotzdem geht hier noch mehr – beziehungsweise weniger. Schließlich ist es eine Illusion zu glauben, dass Berliner Bahnen plötzlich bayrisch sauber werden könnten oder gar hochmodern. Ein Ansatz, welcher den „Öffis“ seinen Kultstatus behalten lässt und zur Nutzung anreizt, wäre wahrlich zukunftsorientiert.

Viel Lärm um Nichts

#weilwirdichlieben – mit diesem Motto wirbt die BVG für „mehr Herz“. Die Zusammenarbeit mit fünf unterschiedlichen Werbeagenturen kommt, gerade in den sozialen Netzwerken, gut an. Doch was genau die mittel- und langfristige Zielsetzung der BVG und ihrer Partner ist, weiß niemand so richtig. Die konsequent steigenden Fahrgastzahlen zeigen: zu wenig Liebe bekommt das Berliner Sorgenkind nicht. Es bedarf vielmehr eines verbesserten Angebots, eines das nicht nur die Nachfrager, sondern auch deren Nachkommen befriedigt. Eines, das so viel mehr kann, als nur von „A“ nach „B“ zu fahren. Ein Angebot der Gegenwart und Zukunft, welche Gewissensfragen zum deutschen Lieblings-Fortbewegungsmittel weiter wegrücken lässt.

Luxemburg als Vorbild

Das Problemkind hat in der Vergangenheit bereits sein Können unter Beweis gestellt. Warum also nicht vom Vorreiter von kostenfreien Schülertickets, zum Helden von mehr sozial ökologischer Gerechtigkeit werden? In meiner Stadt der Zukunft wäre der ÖPNV kostenfrei. Dieser Schritt wäre ebenso wenig planwirtschaftlich und gleichwertig notwendig, wie die jüngste Heizreform. Luxemburg zeigt seit nun mehr als drei Jahren wie kostenloser ÖPNV geht. Andere Städte haben sich ebenfalls versucht. Alle kommen, im Einklang mit zahlreichen Studien, zum Entschluss: ticketfreies städtischen fahren ist nicht der Alleinbringer, jedoch ein erster Schritt in Richtung Zukunft.

Auch Berlinerinnen und Berliner dürfen mal stolz auf etwas sein. In einer Stadt unter fast vier Millionen Menschen gibt es wenig an ähnlichem Potenzial, aus historischer Prägung und symbolischen Potenzialen eine Zukunftsmusik erklingen zu lassen.

Eine kostenfreie Nutzung des ÖPNV wäre der Abiball, des vielfach kritisierten Kindes, welches mit dem kostenfreien Schülerticket bereits in der Mittelstufe sein Potenzial aufblitzen ließ.

Berlin kann dit, aber janz sicher!

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