Auf den Spuren des Hauptstadtjournalismus
Die Journalisten des zweiten Semesters des Campus Berlin und Hamburg haben am Mittwoch eine Exkursion ins Herz der Hauptstadt unternommen, und die wichtigen Leute getroffen.
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Foto: Louisa Trampel
Kapitel 1: Kleinjournalisten auf Bundestagssafari
Ein gewöhnlicher Mittwoch in Berlin-Mitte. Die Sonne brennt. Nicht ganz so gewöhnlich sind die vielen Touristen, die an jenem Tage ums Regierungsviertel spazieren. Auf einen Blick ist klar: hier ist der Sommer ausgebrochen. Ausgerechnet an diesem heißen Tag findet die Bundestagsexkursion des Journalismus Kurses statt. Wie bestellt kommen die Macrostudierenden, begleitet von einem frischen U-Bahn-Wind am Fuße des Paul-Löbe-Hauses an. Ein ganz anderes Windchen weht dagegen aus Dozentin Magdis Richtung, die wie immer vorbildlich mit ihrem Fahrrad angeradelt kommt. Zum Radeln gab es für die Jungjournalisten leider keine Zeit, denn zuvor hatten sie eine intensive Interview-Unterrichtseinheit mit Dozent Heiko Reusch. Im Paul-Löbe-Haus – benannt nach dem ehemaligen Reichstagspräsidenten Paul Löbe – soll der journalistische Sensationstag weitergehen. Bei diesem Bau handelt es sich um ein Funktionsgebäude des Bundestags, in dem die Ausschüsse beherbergt sind. In einer Reihe gestaffelt, ging es für die Studierenden in das Gebäude, das mit seiner Sicherheitskontrolle ein wenig an einen Flughafen erinnert. Nachdem alle durchgelassen und auf Gras abgesucht wurden, schritten wir durch die heiligen demokratischen Hallen der Bundesregierung. Der ein oder andere kam hier aus dem Staunen gar nicht mehr raus – zu sehr ähnelt das Interieur des achtgeschossigen Neubaus mit seinen gebogenen Mauern und hoher Glasdecke einer intergalaktischen Raumstation. Doch an was auch immer uns das Bauwerk erinnern mag – hier lassen sich die wichtigen Leute finden. Inmitten von Parlamentariern, Reporterinnen, Praktikanten und Touristenführern befindet sich auch der Hamburger Campus, der schon geduldig gewartet hat und uns an diesem Tage begleiten wird. Zum ersten Mal haben wir Berliner*innen damit auch die Möglichkeit erhalten, andere Macro-Journalisten kennenzulernen. Doch die Kommunikation hielt sich hier in Grenzen. Denn wer hier nicht auf der Zugfahrt geschlafen hat, ist spätestens im Stehen eingenickt. Das hält ihren Dozenten Thomas Hestermann aber nicht davon ab, ordentlich Stimmung zu machen. Schon gleich stellt uns dieser den holländischen Journalisten Rob Savelberg vor, der sich unserer Exkursion anschließen soll. Trotz des gefüllten Zeitplans führt diese aber erst einmal an der Kantine vorbei, die hier liebevoll „Lampenladen“ genannt wird. Zurückzuführen ist das auf die vielen verschiedenfarbigen Lampen, die von der Decke baumeln. Das Schlendern durch das Paul-Löbe-Haus erinnert ein bisschen an eine Safari, bei der man so manch hohes Tier beobachten kann. Ein Stockwerk tiefer können wir einen Anton Hofreiter sichten, der ins nächste Büro galoppiert. Auch der hungrige Armin Laschet setzt unter der Empore zu einem Sprint an. Vermutlich freut er sich auf eine Portion vegane Bolognese.
Kapitel 2: Der Journalist, der der Kanzlerin auf die Nerven ging
Unser erster Termin beginnt in einem gesonderten Konferenzraum, in dem sich Savelberg nochmals etwas ausführlicher zu seiner Person äußert. Der holländische Journalist und Auslandskorrespondent berichtet von seiner journalistischen Laufbahn nach der Wende in Deutschland, nachdem er auf einem Moped von Amsterdam nach Berlin gefahren war. Der damalige Geschichtsstudent erfreute sich auch an den günstigen und verlassenen Wohnungen, die man hier vor mehr als 30 Jahren besetzen konnte, nachdem das ostdeutsche Gewerbe weichen musste, und damit Bürofläche freigegeben hatte. Berlin sei für ihn in dieser Hinsicht schon immer ein interessanter Fleck für europäische Geschichte gewesen, und er hat sich deshalb entschlossen, sein Studium hier fortzuführen. Nach einer journalistischen Ausbildung in Rotterdam kam Savelberg zurück nach Berlin, wo er nicht nur eine Heimat gefunden, sondern auch seine Karriere begonnen hat. Heute arbeitet er für verschiedene niederländische und deutsche Medien und als Korrespondent für die Tageszeitung „De Telegraaf“. Seine journalistische Laufbahn erreichte 2009 ihren Höhepunkt, als Savelberg mit kritischen Fragen zur neugewählten Bundesregierung auffiel. Dabei hatte Altkanzlerin Angela Merkel ausweichend auf die Frage reagiert, weshalb sie Wolfgang Schäuble, der für das Amt des Bundesfinanzministers vorhergesehen war, vertraue, da er in der Vergangenheit in die CDU-Spendenaffäre verwickelt war. Schäuble trat nach den Anschuldigungen im Jahr 2000 zurück, wurde dann von Kanzlerin Merkel allerdings später wieder in die Regierung berufen. Als Lehre und Empfehlung gibt uns Rob Savelberg mit:
„Folgt eurer Neugier und beißt euch fest an den Themen, die euch interessieren. Es wird immer Leute geben, die versuchen werden, eure Arbeit zu blockieren, aber wenn man von irgendwas überzeugt ist, gibt es immer Wege diese Arbeit zu schaffen.“
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Kapitel 3: SPD-Politiker auf Konfrontationskurs
In den Konferenzraum kommt auch Niels Annen hereinspaziert. Er ist parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sein Wahlkreis befindet sich in Hamburg. Allerdings haben wir den Abgeordneten an einem stressigen Ministerpräsidentenkonferenzen-Tag erwischt. Er gab zu verstehen, dass Politikjournalist*innen eine dicke Haut haben müssen, da es immer wieder mal vorkommt, dass sie mit Politiker*innen aneinandergeraten. Das Positive am Journalismus sieht Annen aber nicht nur an der Streitkultur: „Das Schöne ist, dass Sie Fragen stellen können, wie Sie wollen, aber wir Politiker dürfen auch antworten, wie wir wollen“, scherzt der Politiker mit ernsthaftem Unterton. Kurz bevor er sich auf zur nächsten Sitzung macht, betritt noch Falko Drossmann den Raum. Der Hamburger ist nicht nur Oberleutnant der Luftwaffe gewesen, sondern auch aktuell queer-politischer Sprecher im Bundestag. Lange konnte er nicht mit uns reden, trotzdem gab es ein paar spannende Anekdoten und Ratschläge mit auf den Weg.
Kapitel 4: ARD-Korrespondent im positiven Stress
Nach drei sehr intensiven politischen Gesprächen verabschieden sich die Hamburger Journos in den Bundestag, dessen Besuch unserem Campus ursprünglich auch versprochen wurde. Doch dafür werden unsere Hamburger Kolleg*innen nicht behaupten können, in der Bundespressekonferenz gewesen zu sein! Zu dieser machten wir uns nach einer verdienten Mittagspause an der Spree auf. Nur wenige Schritte vom Paul-Löbe-Haus entfernt, befindet sich der weiße Kubus, in dem die Bundespressekonferenz stattfindet. Darin konnten wir eine kleine Ausstellung über Porträts verfolgter und ermordeter Journalist*innen bestaunen, die in der Eingangshalle auf Holzbrettern befestigt waren. Nachdem die Hamburger*innen mit ihrer Besichtigung fertig waren, hatten wir die Ehre als unsere letzte Station des heutigen Tages, das ARD-Hauptstadtstudio, von innen zu sehen. Auch dieses war nur wenige Meter von der Bundespressekonferenz entfernt. Die treibende Kraft der Spree scheint hier wichtige Akteure des Hauptstadtjournalismus miteinander zu vereinen, um gemeinsam das politische Berlin zu beobachten. Im ARD-Hauptstadtstudio treffen wir den Journalisten Christoph Mestmacher. Der gebürtige Salzhausener arbeitete zunächst in Bonn und später in Hamburg, wo er bis heute als Redakteur beim NDR tätig ist und in Berlin häufig in Tagesschausendungen als Korrespondent auftritt. Auch er ist nicht gegen alle Stresssituationen immun. „Das ist aber positiver Stress. Wenn ich das nicht hätte tun wollen, hätte ich es auch nicht gemacht“, motiviert sich der Journalist. Wir unterhalten uns über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Streaming-Angebote der ARD und das, was einen Journalisten ausmacht. Mit auf den Weg gibt uns der Redakteur den Tipp mit, einfach ins kalte Wasser zu springen. Am wichtigsten ist es:
„Wach bleiben, bereit sein, sich zu verändern. Aber nicht glauben, die Welt zu verändern.“
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Unsere Exkursion neigt sich dem Ende zu. Wir konnten viele Eindrücke darüber sammeln, wie Hauptstadtjournalismus funktioniert und uns vor allem darüber bewusstwerden, dass Journalismus nicht nur aufregend sein kann – sondern auch ein Beruf ist, der oft auf Missgunst trifft, der eigene Stärke herausfordert und persönliche Grenzen austestet.
Ein großer Dank geht an Thomas Hestermann und Magdalena Taube, die diesen Tag für uns organisiert haben und an alle, die hier von ihren spannenden Erfahrungen im Hauptstadtjournalismus berichtet haben.
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