Goethes Faust im digitalen Studierzimmer

Eine Hochschule in der Digitalisierung: Viel Raum für Ärger. In seinem Studierzimmer sitzend schafft der junge Faust im Jahr 2023 seiner Unzufriedenheit Platz. Er beschwört dabei die höchsten gegenwärtig politischen Kräfte und hofft dennoch auf die Zukunft.

3. Oktober 2023

09:54 Uhr

 

Faust verzweifelt am digitalen Endgerät.

 

FAUST:

Der zweite Akt war fast geschafft,

Doch bei der Prüfung hat wenig geklappt,

Die Hingabe zur Zukunft war gewagt,

Die Abgründe eines Dienstleisters,

Sie ragen bis tief hinab.

Eine Obsession des Scheiterns,

Kein Lebenszeichen Gottes,

Ich flehe ihn an, Dich den Barmherzigen.

 

Und da sitz` ich hier,

Ich armer Thor, und bin so schlau als wie zuvor!

Weiß Eigentum und Besitz zu trennen,

Doch mir fehlt der Zugang zu den fünfundzwanzig Fällen.

Mein Fluchen wie ein Pudel bellend,

Ist Gotteslästerung, den Wissing gilt es zu verprellen,

Diese Fass schlägt bis in sein Ministerium Wellen!

Es lade der PRUEFSTER, dieser elende Hund,

Bringt erst mein Recht auf Ambitionen und zuletzt mich um.

 

Eine Aufgabe käme einem Scheitern gleich,

Schauder vor dem zweit Versuch, denn der erste droht unerreicht.

Frage mich: was daran so schwer?

Ich, der Prüfling, will es doch so sehr.

Blicke zornig in den Bildschirm hinein,

Schließlich sollte da schon längst jemand sein.

Um Ehrlichkeit zu wahren,

Käm´ jetzt die Klausur, würd` sie mich nur plagen.

Ein letztes Unterfangen will ich doch noch wagen,

Schreib dem Prüfungsamt in Großbuchstaben,

Der ladende Kreis auf meinem Bildschirm lässt mich doch nicht verzagen.

 

MEPHISTOPHELES:

Wer bist Du, dass Du mich riefest?

Wäre wohl schlauer, ihr irdischen schriebet noch Briefe!

Lass mich Dich auslachen. Vielleicht lässt Dich das aufwachen?!

Kenn Probleme wie diese nur zu gut,

Bist` nicht der Einzige, hör zu, ich gebe Dir Mut:

Eine Prüfung wie diese lässt niemanden siegen,

Kein Wunder, denn ohne Beistand ist der Zutritt ein Buch mit sieben Siegeln.

Lass mich Dein Beistand sein,

Ein Helfer in der Not, ihr erwartet mich alle sowieso spätestens nach dem Tod.

 

FAUST:

Wer bist Du, dass Du glaubst mir zu helfen?

Bin kein Kind mehr, sondern Student,

Zähle an die zwanzig Jahr, zwischen mir und Dir liegen Welten,

Mach Dir das klar!

Brauch` die Klausur, jetzt und nicht im neuen Jahr,

Schaffst Du mir diesen externen Drittanbieter weg, sind meine Wünsche rar.

 

MEPHISTOPHELES:

Das Problem sitzt hinter dem Gerät, gestehe Dir ein,

Das Momentum könnte ein besseres sein.

Läuft das Digitale jedoch fein, habt ihr alle ein drittes Standbein.

Lebet froh, sehet gelb und für die Hochschule kostet es kaum Geld.

Ich verwandelte den Wissing zum Pudel, als zauderndes Tier,

Ohne ihn säßest Du wohl kaum hier,

Lass uns einen Pakt schließen, Du und ich, sind jetzt: WIR!

 

FAUST:

Zeige mir die andere Seite dieser Welt,

Eine, in der das Digitale auch mir gefällt.

 

MEPHISTOPHELES:

Schließe PRUEFSTER, öffne es neu,

Vertraue mir, das Programm bleibt Dir ab jetzt treu!

Weitere Beiträge

Tschüss Berlin

Die deutsche Hauptstadt gilt als Sehnsuchtsort für alle, die von persönlicher und beruflicher Entfaltung träumen. Abenteuer, Karriere, Entwicklung – hier scheint alles möglich. Doch Berlin ist viel mehr Zustand als Heimat. Es ist Zeit wieder zu gehen. Ein Kommentar.

Deutsche Sprache mal anders

Am 12. November präsentierte Satire-Meister Oliver Kalkofe sein neuestes Buch im Tipi am
Kanzleramt. Der Wahl-Berliner nimmt kein Blatt vor den Mund. Eine ehrliche Rezension für ein noch
ehrlicheres Buch.

Anne Will Anderes

Am dritten Dezember dieses Jahres verlässt mit Anne Will eine der besten Moderatorinnen des Landes (vorerst) die große TV-Bühne. Sie sollte in Erinnerungen bleiben: als vorbildhafter Charakter der gesunden Debattenkultur.

Und? Als was gehst du?

Vor Halloween gab Nick Wilcke ein verhängnisvolles Versprechen. Deshalb ging er als „erschossenes Reh“ zur Party. Daraus gelernt hat er zwei Dinge: keine betrunkenen Versprechen mehr zu geben und dass man sich weniger ernst nehmen sollte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert