Anne Will Anderes
Am dritten Dezember dieses Jahres verlässt mit Anne Will eine der besten Moderatorinnen des Landes (vorerst) die große TV-Bühne. Sie sollte in Erinnerungen bleiben: als vorbildhafter Charakter der gesunden Debattenkultur.
Ein Sonntagabend, ein Abend wie vierhundert neunundneunzig vor ihm, genau genommen ist es der FÜNFHUNDERTSTE seiner Art, es ist damit auch der letzte. Sechzehn Jahre nach ihrer ersten Sendung, moderiert eine unscheinbar wirkende Frau ihre letzte nach ihr benannte Polit-Talkshow im Ersten Deutschen Fernsehen. Eine Frau, die alles ist, aber nicht unscheinbar und genau das macht sie auch aus. Noch vor der Jahrtausendwende moderierte sie als erste Frau die ARD-Sportschau: ein Meilenstein. Keineswegs ein Zufall, dass dieser ausgerechnet von ihr gelegt wird. Was folgt, ist eine steile Karriere. Olympische Spiele in Sydney, Tagesschau-Moderation für sechs Jahre und schließlich die eigene Sendung.
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„Am Sonntagabend kommen nur alte geübte Schlachtrösser, die mit allen Wassern gewaschen sind: Wenige Sekunden vor einer meiner Anmoderationen zu einer Sendung, sagte ein Spitzenpolitiker zu mir: „Läuft nicht so bei Ihnen, Quote schlecht…“ Natürlich wollte der mich damit einschüchtern, er wusste, dass mein Mikro in dem Moment schon an war und ich nichts darauf antworten konnte. Von dieser Härte war ich überrascht, das kannte ich so nicht.“
Anne Will im Podcast „Das Politikteil“ der ZEIT
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Im Jahr 2007 wurde ihr einer der besten Sendeplätze zugetragen. Kurz nach dem Tatort lief Fort an: ANNE WILL. Regelmäßig erreichte sie dabei mit ihrer Sendung die höchsten Einschaltquoten im deutschsprachigen Raum. Nach einem fünfjährigen Ausflug von 2011 bis 2016 auf den Mittwochabend, kehrte sie bis zum Schluss zur gewohnten Zeit zurück. Elf der sechzehn Jahre moderierte sie sonntags gegen 21:45 Uhr Streits zu Krisen, Kriege und dem Kampf des politischen Alltags. Die hohe Kunst war dabei: selbst nicht zur politischen Akteurin zu werden und Ruhe zu verbreiten. Anne Will gelang das. Meistens zumindest.
Ihr stolpern über den Gendergap machte sie kurzzeitig selbst zum Politikum. Eine geschlechterneutrale Sprache findet sie heute immer noch gut, jedoch müsse diese „selbstverständlich“ gesprochen werden. Was sie daran jedoch besonders störte, war die daraus resultierende Debatte um ihre Person. „Anne Will talkt jetzt mit GästInnen!“, schrieb etwa die BILD-Zeitung im Mai 2020. Für sie war das Ablenkung vom Wesentlichen, dem, worum es nun mal in Runden wie ihrer geht: den politischen Streit. Dem Zuschauer wegen änderte sie ihr geschlechterbezogenes Sprachbild. Aus dem gewöhnungsbedürftigen Gedankensprung vom Maskulinum, über das Femininum zum Indefinitivum, wurde die einfache Form des beidseitigen Erwähnens. Das war diplomatisch und ebendieses sich selbst nicht so wichtig nehmen zugleich. Gerade Letzteres wird bei Moderierenden als Indikator für Leichtigkeit gesehen – Souveränität über alles!
Anderes, will sie künftig generell und vor allem am siebten Tag der Woche machen. Was genau, weiß die Öffentlichkeit bisher nicht. Es wird eine andere Anne Will sein, eine, die Halbmarathons läuft und die Perspektive wechselt. Schließlich, „geht man nie weiter, als wenn man nicht mehr weiß, wohin es geht“ (Goethe).
Anne Will, das Understatement der TV-Moderation, ein Synonym für eine gesund geführte Debattenkultur, in welcher das Argument des Gegenübers auch gilt.
Heißt: Wir müssen einander mehr zuhören und uns dabei selbst nicht zu wichtig nehmen! Mein Kennste schon? ist der faire Umgang miteinander und die stets zukunftsorientierte Sichtweise einer Frau, deren Karrierestart auch nach dem dritten Dezember immer noch gerade richtig kommen würde.
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