Deutsche Sprache mal anders

Am 12. November präsentierte Satire-Meister Oliver Kalkofe sein neuestes Buch im Tipi am
Kanzleramt. Der Wahl-Berliner nimmt kein Blatt vor den Mund. Eine ehrliche Rezension für ein noch
ehrlicheres Buch.

18. Januar 2025

Das Tipi am Kanzleramt von Dguendel/Wikimedia Commons

„Ich bin schon länger Fan von Kalkofe, als ich denken kann. Also bestimmt schon drei Wochen.“ Dieses
Zitat des deutschen Komikers Torsten Sträter prangt auf dem Hardcover von Oliver Kalkofes neuem
Buch „Sieg der Blödigkeit – Ist die Vernunft noch zu retten?“ und hätte mich kaum besser zum Kauf
verführen können. Was sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt, ist bissige und messerscharf
formulierte Satire. Kalkofe, ein Meister der deutschen Sprache, zelebriert hier seinen unverblümten
Stil und sein Können. Er scheut sich nicht, den Finger in die Wunde unserer deutschen Gesellschaft zu
legen. Doch wer austeilt, kann auch einstecken. Eine Rezension über ein Buch, das mich sehr
unterhalten, oft provoziert und manchmal zum Weinen gebracht hat. 

Buchpräsentation im Tipi am Kanzleramt

Im November 2024 besuchte ich eine besondere Veranstaltung im Tipi am Kanzleramt. Ehrlich gesagt
wusste ich anfangs weder etwas über das Veranstaltungshaus noch über den Anlass oder den Grund
dafür. Trotzdem bin ich – Stand Januar 2025 – immer noch froh, dass mein guter Freund mich dorthin
verschleppt hatte. Zugegeben, es bedurfte einer Einladung zum gemeinsamen Döner-Essen, um mich
für ein zirkuszeltartiges Etablissement voller Boomer zu gewinnen, die sich mit ihren schicken
Anzügen an kleine, weiß eingekleidete Tischchen hockten, um sich für 18 Euro die Plauze mit einer
Käseplatte vollzuhauen. Doch all das war nur der Rahmen für einen besonderen Gast: Oliver Kalkofe.


Am 12. November stellte er im Tipi sein neues Buch „Sieg der Blödigkeit – Ist die Vernunft noch zu
retten?“ vor. Seinen Namen hatte ich vielleicht mal im Fernsehen aufgeschnappt, doch ich wusste
praktisch nichts über ihn. Und vermutlich bin ich damit nicht allein. Oliver Kalkofe, Grimme- und
Deutscher Comedypreisträger, wurde in den 1990er-Jahren durch die Kult-Satiresendung Kalkofes
Mattscheibe bekannt. Seitdem hat er in nahezu allen Bereichen der deutschen Medienlandschaft –
Radio, Fernsehen, Film und Literatur – seine Finger im Spiel gehabt. Er wird nicht ohne Grund als
„Meister der Mediensatire“ bezeichnet und gilt bei vielen Kalkofe-Fans sogar als einer der
scharfzüngigsten Satiriker und Medienkritiker des Landes.


Genau diesen Eindruck vermittelt auch sein neuestes Werk. In „Sieg der Blödigkeit“ nimmt Kalkofe
gnadenlos jeden, der blöd ist (seiner Ansicht nach alle, die ein Gehirn haben) aufs Korn und schreibt
geradeheraus über alles, was ihm nicht in den Kram passt. Dabei zeigt er eine bemerkenswerte
Selbstironie: Auf der Buchpräsentation gab er ganz offen zu, dass seine Sicht auf die Welt manchmal
wie die eines „alten weißen Mannes“ wirken könnte – eine Feststellung, die mir ohne seine
Bemerkung vielleicht gar nicht bewusst geworden wäre.

Foto/Levin Horst

 

Deutsch kann auch so

Natürlich mag dieser 236-seitige „Meinungsmacher“ nicht jedermanns Geschmack treffen – mich
jedoch hat dieses Buch über Wochen bestens unterhalten. Kalkofe hält uns diese „blöde Welt“ in all
ihren absurden Facetten einfach ungefiltert vor die Nase, sodass man sich gemeinsam mit ihm an
ihrer Lächerlichkeit aufregen und gleichzeitig erfreuen kann. Besonders beeindruckt hat mich dabei
die Sprache: ein Deutsch, wie ich es noch nie zuvor gelesen habe, präzise auf den Punkt gebracht und
feinste Sahne. Oft dachte ich mir: „Genau so würde ich es auch gerne mal formulieren.“

 
Mit seinen Neologismen wie „wabbelige Wirbeltier-Walnuss“ (für Gehirn) oder „hyperaktive Internet
Herpes-Kulturen“ (für Influencer) sorgt Kalkofe regelmäßig für Schmunzler – oder in meinem Fall für
einen ab und zu herausgeschossenen Lacher in der U-Bahn. Besonders genial sind seine irrwitzigen
Beschreibungen, etwa über eine „heitere Cartoon-Serie über ein adipöses Nagetier und seinen
blauen, kleinwüchsigen Elefanten-Azubi, die sich schnell als lediglich lautstark schnüffelnde
Schnarchviecher im Pantomime-Modus entpuppten – blöd blinzelnd und mit verstörendem
Wimperngeklapper, während sie langweilige Lehrfilme über die Faszination der Büroklammer
Herstellung präsentierten“ (natürlich mit Anspielung auf Die Sendung mit der Maus).

 
Mit „Sieg der Blödigkeit“ lotet Kalkofe die Grenzen der deutschen Sprache aus und erweitert den
Wortschatz um eine Vielzahl herrlicher Wortneuschöpfungen. Langweilig wird das Lesen dabei nie. So
beginnt er etwa ein Kapitel über Triggerwarnungen im Fernsehen mit einer ironischen
Triggerwarnung zu eben diesem Kapitel, unterbricht Sätze scheinbar willkürlich mitten im Wort oder
wirft mit deutschen Ausdrücken um sich, als hätte er einen Freibrief für völlige Kontrollfreiheit
erhalten. Sein unverkennbarer Blick auf die Welt und sein spielerischer Umgang mit Sprache lassen
immer wieder den Eindruck entstehen, dass der Duden für Kalkofe nicht viel mehr ist als ein Pixi
Buch.

Foto/Levin Horst

Satire ist Geschmackssache

Trotz all meines Lobes möchte ich das Buch nicht unkritisch stehen lassen. Selbst ein Satire-Meister
wie Oliver Kalkofe kann sich hin und wieder im Ton vergreifen. Die Grenze zwischen Satire und
Ernsthaftigkeit ist schmal, was mir nicht nur beim Lesen auffiel, sondern auch in den Gesichtern der
Gäste im Tipi am Kanzleramt, als Kalkofe stolz aus seinen Kapiteln vorlas.

So bezeichnete er etwa das Influencer-Dasein als eine Art „personalisierte Produkt-Prostitution“,
schränkte jedoch ein, dass dies nur auf diejenigen zutreffe, die im Internet tatsächlich Dinge
verkaufen, und nicht auf jene, die wirklich Talent oder Inhalte zu bieten haben. In einem Buch mit
dem Begriff „Blödigkeit“ im Titel ließ er es sich zudem nicht nehmen, über mehrere Kapitel hinweg
gegen Influencer zu wettern. Diese, so Kalkofe, seien glücklicherweise selten in Büros oder
Bildungseinrichtungen anzutreffen.

Dabei gab er ihnen auch einen Namen: Generation H.O.R.S.T. – „hackedoof, oberflächlich, riemig,
selbstverliebt und tätowiert“. Besonders letzteres scheint Kalkofe persönlich zu stören: Wie können
sich Menschen bloß tätowieren lassen? Diese „Generation H.O.R.S.T.“ verknüpft er eng mit der
Generation Z, die erste Generation, die vollständig im Internet aufgewachsen sei und sich durch eine
entspannte Erziehung entsprechend entwickelt habe.

 
Kalkofe selbst bezeichnet sich augenzwinkernd als „X-Boo“, eine Mischung aus Millennial (Generation
X) und Boomer, da er nur ein Jahr nach der offiziellen Boomer-Grenze (1965) geboren wurde. Er
räumt ein, dass es auch früher genug schlechte Dinge gab – etwa weniger politische Korrektheit –,
bedient aber oft das Klischee des nostalgischen weißen Mannes, der meint, früher sei alles besser
gewesen. Seine schwarz-weißen Beschreibungen und stereotypen Klischees werfen Fragen auf, und
auch ich erlaube mir, auf seine Schubladen mit einer eigenen zu antworten: Ich bin ein „Millennial Z“.
2002 geboren, kam ich zwar sieben Jahre nach den Millennials auf die Welt, hatte aber durch ältere
Geschwister eine vergleichbar analoge Kindheit, bis ich in der weiterführenden Schule mein erstes
Smartphone erhielt.

 
Jeder Mensch kann zur Generation H.O.R.S.T. gehören. Ich erlebe in meiner Generation sogar häufig
den gegenteiligen Trend: einen bewussten Rückzug aus den sozialen Medien. Gleichzeitig laden X
Boos verstörende Reels auf Instagram hoch – ein amüsanter Widerspruch.

 
Wer sich von Satire schnell angegriffen fühlt, wird dieses Buch nicht leicht verdauen können. Doch es
lohnt sich. Kein anderer kennt die deutsche Gesellschaft so gut wie Kalkofe, und kein anderer zerlegt
sie mit einer derartigen Schärfe. Außerdem ist Herr Kalkofe persönlich weitaus weniger hysterisch, als
er in seinen Texten erscheint. Immerhin signierte er mir nach der Buchpräsentation meine Ausgabe
mit dem gut gemeinten Rat: „Bloß nicht blödig werden.“

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