Dschungel aus Beton

Berlin: Man liebt es oder man hasst es. Julie Bäßler kann beides verstehen und blickt kopfschüttelnd auf die Skepsis vieler Berliner bei DER Frage in der Stadt: Wer darf sich eigentlich „Berliner“ nennen?

4. Mai 2023

Fünf vor Zwölf. Menschenmassen kämpfen sich die Stufen der U-Bahn-Station nach oben. MEHRINGDAMM steht in überdimensionalen Lettern auf dem einzigen Blau am Himmel.

Oben angekommen findet man sich unter mehr Menschen als auf einem Dieter-Bohlen-Konzert wieder.

Der erste Gedanke: Wird hier demonstriert? Reflexartiger Blick auf die Straße, aber außer Kaugummi klebt da nichts.

Der zweite Gedanke: Ist schon wieder September und der Sommer vorbei?

Fragendes Drehen um die eigene Achse, aber außer vergammeltem Fallobst auf dem Boden fehlt von Äpfeln jede Spur. Mit der Mission, die Ursache des Menschenauflaufs ausfindig zu machen, wird sich durch die Masse gedrängt. Das Wort „Großstadtdschungel“ bekommt eine neue Bedeutung. Berlin wird zum Königreich des Kristallschädels und aus Kaffee und Kippe in der Hand wird Machete und Messer. Am Ende der Schlange angekommen, thront die Ursache, getarnt als weißer geräderter Anhänger, majestätisch auf dem Gehweg. Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt. Oder in diesem Fall: Der Hahn am Spieß.

Von Schlangen und Hähnchen

„Berlins ikonischster Hähnchen Döner“ munkelt man in Nicht-Berliner Kreisen. Mit einer Google Rezension von 4,3 Sternen hat es, der seit 2006 existierende „Mustafa´s Gemüse Kebap“, geschafft: Rund um die Uhr randvoll. Ein fast schon obszönes Szenario spielt sich am Mehringdamm 32 in 10961 Berlin, Kreuzberg ab: Menschen, die sich gegenseitig wegschubsen, an den Haaren ziehen und zwei Spanierinnen, die lachend vor einem riesigen Aufkleber mit der Aufschrift: „Touristen Fisten“ posieren. Die Situation erinnert an den jährlichen Ausbruch der Anarchie zum Fest der guten Vorsätze. Von Besucher*innen vergöttert und bei echten Berliner*innen verpönt. Aber wann zählt man in der Hauptstadt eigentlich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft?

Invasion aus Süddeutschland

Wer mit Rollkoffer, Rucksack oder gar Reiseführer durch Berlin marschiert, wird mit bösen Blicken massakriert. Touristen, oder wie eben diese hier gerne genannt werden: Das manifestierte Böse, sind der Ursprung allen Übels.

Wer es dann noch wagt, langfristig in der Stadt an der Spree zu bleiben, sollte sich nur noch mit Personenschutz auf die Straße trauen.

Dass die Lebenshaltungskosten steigen, liegt, im Gegensatz zu der restlichen Bundesrepublik, nicht an der Inflationsrate, die aktuell 7,2 Prozent beträgt, sondern an den kritisch beäugten Dauertouristen aus Süddeutschland.

Um Tourihotspots wie „Mustafa´s Gemüse Kebap“ oder „Zeit für Brot“ wird ein großer Bogen gemacht. Nicht dass einer der Zugezogen es wagt, einen Ur-Berliner anzulächeln oder gar zu grüßen. Wer sich besagte Böshaftigkeiten erlaubt, wird gekonnt wegignoriert.

Man lässt sich seine Berliner Schnauze ja nicht zur Berliner Schnute umsozialisieren.

Merz-Revolution im Mai

Diese Thematik böte Anlass für die „Merz – Revolution 2.0“. Pünktlich zu der nächsten Landtagswahl in Berlin könnte die Integration der Südländer auf dem Wahlprogramm der Christdemokraten an oberster Stelle stehen. Vielleicht ist dieses Vorhaben der Schlüssel zu den Wahlkreisen innerhalb des Rings und der damit verbundenen eindeutigen Mehrheit. Diese Bezirke sind nicht nur politisch gesehen heiße Ware, sondern auch bei den Dauertouristen sehr begehrt. Die Neulinge belagern die inneren Bezirke, wie Prenzlauer Berg, Friedrichshain-Kreuzberg oder Mitte und drängen die Alteingesessenen immer weiter in Richtung des gefürchteten Brandenburgs.

Wer der beiden Parteien in diesem Falle egoistischer handelt, ist streitig. Was jedoch nicht streitig ist: In Berlin wird „zugezogen“ nur toleriert, wenn es mit Geldschein und Nase, und nicht mit Herkunft in Verbindung ste

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